„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ So lautet eine dem indianischen Stamm der Cree zugeschriebene Weissagung über die Zukunft der nach Amerika einwandernden Europäer. Eine einleuchtende Erkenntnis ist aber andererseits auch, dass man Geld nie genug haben kann. Bei den meisten menschlichen Bedürfnissen gibt es einen Sättigungseffekt: Wenn der Hunger einmal gestillt ist, verschwindet – jedenfalls für eine gewisse Zeit – das Verlangen, etwas zu essen. Mehr Geld zu bekommen, ist aber (meistens) auch für die Menschen noch ein Ziel, die bereits viel davon haben.
Das hängt sicherlich damit zusammen, dass Geld die Befriedigung aller möglichen Bedürfnisse heute und in Zukunft in Aussicht stellt. Letztlich kann man damit auch dem eigenen Leben über den Tod hinaus Bedeutung verleihen: Indem man beispielsweise eine Stiftung gründet und mit viel Geld ausstattet, die sich für den Schutz der Regenwälder, der Eisbären oder ein vielfältiges, kulturelles Angebot in der eigenen Heimatstadt einsetzt.
Was aber ist eigentlich Geld? Sind die Erwartungen berechtigt, die mit seinem Besitz heute selbstverständlich verbunden werden? Wird es tatsächlich auch in Zukunft noch Wert besitzen?
Zahlungsmittel in der einen oder anderen Form gibt es schon seit tausenden von Jahren. Geld, so wie wir es heute kennen – das als Guthaben (oder Kredit) auf einem Bankkonto gebucht wird – ist dagegen eine sehr moderne „Erfindung“. Schon lange in Gebrauch und einfach zu verstehen sind Münzen aus Silber oder Gold als Währung. Diese Edelmetalle besaßen und besitzen einen hohen, eigenen Wert. Um den Handel von Waren zu erleichtern, gießt ein glaubwürdiger Mensch oder eine Institution das Metall in Stücke von festgelegtem Gewicht. So müssen bei einem Handel nicht jeweils Goldstaub oder Silberklumpen abgewogen werden, sondern es reicht, ein paar Münzen abzuzählen.
Größere Mengen an Münzen mit sich herumzuschleppen, ist aber auf Dauer doch mühsam. Außerdem fällt es den Mitmenschen schnell auf, wenn man sich schwer beladen durch die Gegend bewegt, und die Gefahr ist relativ groß, dass man unfreiwillig Erleichterung erfährt. Geldscheine sind in dieser Beziehung deutlich weniger problematisch. Das ursprüngliche Prinzip des Geldscheines ist, dass dieser bei der Person oder Institution, die ihn ausgegeben hat, gegen eine bestimmte Menge an Gold oder Silber eingetauscht werden kann.
Die Versuchung ist für den Aussteller der Geldscheine aber recht groß, Papiergeld in Mengen Umlauf zu bringen, denen Bestände an Gold oder Silber nicht mehr in adäquaten Mengen gegenüberstehen. Solange nur wenige auf die Idee kommen, ihre Geldscheine wieder in Münzen umzutauschen, ist das kein großes Problem. Sobald sich aber allgemein Zweifel breit machen, dass die Scheine durch physische Bestände an Edelmetall „gedeckt“ sind, kann man mit ihnen aber nicht mehr viel anfangen. Ein separater Effekt ist, dass die anwachsende Geldmenge schnell steigende Warenpreise auslöst, also eine hohe Inflation.
Eine Erfahrung, die Deutschland nachhaltig geprägt hat, ist die Hyperinflation in der frühen 1920er Jahren. Sie wurde ausgelöst dadurch, dass der Staat im und nach dem 1. Weltkrieg immer mehr Geld in Umlauf brachte. Die Folge war, dass Sparguthaben praktisch vernichtet wurden. Beendet wurde diese Phase durch eine Währungsreform im Jahr 1923. Dabei wurde die neue Währung Rentenmark (später Reichsmark) eingeführt, die wieder explizit durch Grundeigentum (Rentenmark) bzw. Gold (Reichsmark) gedeckt war.
In weiten Teilen der Welt orientierten sich die Währungen – von solchen Episoden abgesehen – in der Zeit von der Industrialisierung bis zur Weltwirtschaftskrise ab 1929 am „Goldstandard“: Die Landeswährung wurde in einem festen Verhältnis zum Wert von Gold definiert. Ein logischer Effekt davon war übrigens auch, dass es im Prinzip feste Wechselkurse zwischen den verschiedenen Währungen gab.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde ein komplizierteres Regelwerk für die Weltwirtschaft eingeführt, das sogenannte Bretton-Woods-System (benannt nach einem Ort in New Hampshire, USA, in dem sich Vertreter verschiedener Staaten 1944 trafen, um über die zukünftige Weltwirtschaftsordnung nach dem absehbaren Ende des Krieges zu beraten). Die Ostblockstaaten schlossen sich dem System letztlich nicht an (obwohl die UdSSR in Bretton Woods vertreten war), die BRD trat ihm nach ihrer Gründung bei.
Der amerikanische Dollar war der Orientierungspunkt in dieser Ordnung, und für diesen galt auch wieder der Goldstandard. Die amerikanische Notenbank war verpflichtet, anderen Notenbanken gegenüber Gold gegen Dollar zum festen Kurs von $ 35 pro Feinunze zu wechseln. (Der Goldpreis ist seitdem unter größeren Schwankungen stark gestiegen und beträgt aktuell, im April 2020, rund $ 1700.) Die Kurse der anderen Währungen im Verhältnis zum US$ wurden im Prinzip festgelegt, konnten aber durch gemeinsame Beschlüsse angepasst werden.
Das System funktionierte – mit einigen Problemen – bis Anfang der 1970er Jahre. 1971 musste der feste Gold/Dollar-Kurs aufgegeben werden; 1973 konnte das System fester Wechselkurse zwischen den beteiligten Währungen nicht mehr aufrechterhalten werden. Es wurde offiziell außer Kraft gesetzt. Ursache waren zunehmende Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft: Wenn es Volkswirtschaften gibt, die dauerhaft mehr exportieren als importieren (und solche, bei denen es umgekehrt ist), führt das zu Spannungen, bei denen eine Veränderung der Wechselkurse der beteiligten Währungen ein Ventil sein kann, um sie abzubauen. Seit dieser Zeit sind die Wechselkurse zwischen einigen wichtigen Währungen flexibel und können auch innerhalb kurzer Zeiträume stark schwanken.
Unternehmen mit internationalen Handelspartnern machen damit aber die Erfahrung, dass es mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden ist, unter solchen Bedingungen Lieferungen für die etwas fernere Zukunft zu vereinbaren. Deshalb haben sich in Europa 25 Jahre später verschiedene Länder wieder in einer Währungsunion zusammengeschlossen, zunächst mit festen Kursen zwischen den Währungen, später mit einer gemeinsamen Währung, dem Euro.
Aus diesem Hin und Her wird deutlich, dass die verantwortlichen Politiker und Notenbanker keineswegs einen „Masterplan“ verfolgen. Es gibt keine allgemein akzeptierte Theorie, die ihnen klare Anhaltspunkte für ihr Handeln geben könnte. Die Entwicklung gleicht vielmehr einem „Durchwursteln“: Es treten immer wieder einmal Probleme auf (die man im Nachhinein auch mehr oder weniger gut erklären kann), und die versucht man dann mit diesem oder jenem Rezept zu lösen. Wenn das eine nicht funktioniert, probiert man etwas anderes.
Als ein Beispiel dafür, wie unsystematisch die Herangehensweise ist, kann man den Umgang mit dem Konstrukt Geldmenge betrachten. Ganz grob gesagt bezeichnet man damit die Summe des in Umlauf befindlichen Geldes. Als Lehre aus der Hyperinflation in den 1920er Jahren hatte man sich insbesondere in Deutschland zu Herzen genommen, dass die Geldmenge nicht zu stark steigen sollte, wenn man denn will, dass der Geldwert halbwegs stabil bleibt.
Eine gewisse Zunahme der Geldmenge ist natürlich durchaus sinnvoll, wenn eine Volkswirtschaft insgesamt wächst und mehr Waren hergestellt und Dienstleistungen erbracht werden. Genau an der Stelle liegt übrigens auch das Problem des Goldstandards: Eigentlich ist es nicht vernünftig, die Geldmenge daran zu knüpfen, wie viel Gold die Notenbank in ihren Kellern lagert. Tatsächlich ist die Geldmenge – egal ob man DM, Euro, Dollar oder eine andere, wichtige Währung betrachtet – aber sehr viel stärker gewachsen als die Volkswirtschaften. Da das aber nach allgemeiner Einschätzung – jedenfalls kurzfristig betrachtet – zu keiner dramatischen Inflation oder Geldentwertung geführt hat, haben die Notenbanken den Schluss gezogen, dass man dem Konstrukt wohl keine größere Aufmerksamkeit mehr schenken braucht. Aktuell hat man andere Sorgen.
Fazit: Unser Wirtschafts- und Währungssystem wirkt auf die allermeisten Menschen sehr solide. Der Meinung kann ich mich nicht anschließen. Das Geflecht von Handelsbeziehungen und das Bankensystem werden immer komplexer und schwerer zu durchschauen. Dies verdeckt den klaren Blick auf das wackelige Fundament, auf dem das Ganze aufgebaut ist.