Schulden, Guthaben und Vermögen

Stellen wir uns einmal eine Welt vor, auf der es nur zwei Menschen gibt: Einen Ackerbauern und einen Viehzüchterin. Sie treffen sich täglich zum gemeinsamen Essen, das entweder der eine oder die andere liefert und dafür jeweils einen Taler erhält. Ein Taler ist also praktisch ein Schuldschein für eine Mahlzeit.

Wenn beide auf lange Sicht gleich viele Mahlzeiten zubereiten können, gibt es kein Problem. Was aber passiert, wenn der Ackerbauer das nicht hinbekommt – egal ob dies daran liegt, dass ein Pilz seine Ernte vernichtet hat oder dass er zu faul ist, seine Pflanzen bei Trockenheit zu gießen? Dann sammeln sich bei der Viehzüchterin die Taler. Anders ausgedrückt: Der Ackerbauer schuldet ihr immer mehr Mahlzeiten. Sie hat dann mehrere Möglichkeiten: Sie kann beispielsweise darauf hoffen, dass der Bauer in der Zukunft seine Schulden begleichen wird, sie kann den Bauern zu den Mahlzeiten ausladen oder die Talersammlung einfach sein lassen.

Der Punkt, den ich mit diesem Gedankenexperiment verdeutlichen will: Den angesparten Talerguthaben stehen in so einem System Schulden in gleicher Höhe gegenüber. Unsere real existierende Welt ist natürlich erheblich größer und komplizierter, aber der Grundsatz gilt auch hier. In einer vom World Future Council herausgegebenen Publikation mit dem Titel Schulden und Vermögen: Makroökonomie für Anwender/innen wird der Zusammenhang noch ausführlicher erläutert.

Unsere Welt kennt aber außer Finanzguthaben auch weitere Arten von Vermögen: Immobilien, Aktien und andere Formen von Unternehmensbeteiligungen, Gold, Kunstwerke, etc.. Bei diesen Vermögensarten steht einer Wertsteigerung nicht unmittelbar ein Schuldenanstieg an anderer Stelle gegenüber.

Es wird aber leicht übersehen, dass eine solche Wertsteigerung allein darauf beruht, dass eine Überführung in ein Finanzguthaben erfolgen wird – beispielsweise über Mieteinnahmen oder Dividendenzahlungen – oder jedenfalls möglich ist. Sobald diese realisiert wird, entstehen an anderer Stelle Schulden, oder es wird ein Guthaben reduziert. Deshalb ist auch die zu beobachtende Vermögenspreisinflation keineswegs unkritisch.

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