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Weltanschaulicher Hintergrund

Dieser Beitrag erläutert eine philosophische Überlegung, die mit den auf dieser Webseite thematisierten Fragen in enger Verbindung steht, aus der sich konkrete politische Maßnahmen allerdings nicht unmittelbar ableiten lassen.

Wohl jeder Mensch macht sich im Laufe seines Lebens Gedanken darüber, wie es kommt, dass es ihn gibt, was er mit seinem Leben machen soll und was also der Sinn seines Lebens ist. Auch vor Tausenden von Jahren haben sich die Menschen schon mit diesen Fragen beschäftigt, und bei der Suche nach Antworten haben sich unterschiedliche Religionen entwickelt. In der Vergangenheit wurden diese Religionen den Mitmenschen dann häufig dogmatisch aufgezwungen.

Die „westliche“ Gesellschaft, in der wir leben, baut im Gegensatz dazu erklärtermaßen auf christliche und humanistische Werte und die Gewissensfreiheit des und der Einzelnen auf. Man könnte aber argumentieren, dass es ein Element gibt, was die Gesellschaft stärker prägt als diese Werte: Die irrational überhöhte Bedeutung von Geld.

Es ist durchaus rational, wenn jemand, der kein Geld hat, versucht, welches zu bekommen. Das braucht er eben, um Lebensmittel und diverse andere Dinge zu beschaffen. Man kann damit beispielsweise schnelle Autos und große Yachten kaufen, wenn man so etwas gerne besitzt. Die Koch Brüder setzen es ein, um die politische und gesellschaftliche Entwicklung in den USA zu beeinflussen (https://en.wikipedia.org/wiki/Political_activities_of_the_Koch_brothers), und Bill und Melinda Gates haben ihr nicht unbeträchtliches Vermögen in eine Stiftung eingebracht, die versucht, Ungerechtigkeit auf der Welt zu verringern (www.gatesfoundation.org/de/). Es lässt sich darüber diskutieren, ob es richtig ist, wenn einige Menschen auf diese Weise erheblich mehr Möglichkeiten haben, die Zukunft zu gestalten, als der große Rest der Welt. Jedenfalls ist es ein rationaler Einsatz von finanziellen Mitteln.

Irrational ist es aber, wenn Menschen, die über ein Vermögen von 10 Mio. Euro oder mehr verfügen, mit großem Ehrgeiz versuchen, dieses Vermögen noch zu vermehren, ohne konkrete Pläne, wofür es denn eingesetzt werden soll außer zur Erzielung einer möglichst hohen Rendite. Weder sie persönlich noch ihre Nachfahren und Erben haben tatsächlich etwas davon. Es lässt sich nur erklären dadurch, dass die Vermögensvermehrung für sie den wesentlichen Inhalt und Sinn des Lebens darstellt: Die eigene Bedeutung und die von anderen Menschen wird am Kontostand gemessen.

Ich sehe mich nicht in der Lage, auf die Frage, was denn der Sinn des Lebens tatsächlich ist, eine Antwort zu geben, mit der sich alle spontan identifizieren können. Wenn darüber mehr nachgedacht und mit anderen geredet würde, wäre das aber sehr zu begrüßen. Ich gehe davon aus, dass dann jedem klar würde, dass die Anhäufung von Geld keinesfalls ein befriedigender Lebenssinn sein kann.

Covid-19

Das Weltwirtschaftssystem wird möglicherweise die Ausbreitung des Coronavirus nicht überstehen. Die Infektionswelle ist dafür aber nicht die Ursache, sondern nur der Anlass.

Die Menschheit hat schon andere Pandemien bewältigt, und die medizinischen Voraussetzungen dafür sind heute natürlich erheblich besser als 1918, als die „spanische“ Grippe ausbrach und weltweit 25 bis 50 Millionen Todesopfer forderte, oder in den Jahrhunderten davor, als Pest- und Choleraepedemien jeweils den Tod größerer Teile der Bevölkerung verursachten.

Man könnte also denken, dass wir für eine kürzere Zeit einfache eine Pause einlegen müssen in unserem gesellschaftlichen Leben und danach alles so weitergeht, wie wir das bis vor wenigen Wochen gewohnt waren. Nach meiner Einschätzung wird das nicht so geschehen.

Es gibt Menschen, die genug finanzielle Rücklagen haben oder sehr sichere, regelmäßige Einkünfte, beispielsweise Renten, die sich deshalb keine materiellen Sorgen machen müssen, wie sie die nächsten Wochen und Monate überstehen. Es gibt aber andererseits auch viele Menschen sowie kleinere, mittlere und große Unternehmen, die nur geringe Rücklagen oder sogar Schulden haben, und deren Einnahmen absehbar stark zurückgehen werden, während die Ausgaben konstant bleiben oder nur wenig sinken.

Es herrscht offenbar gesellschaftlicher Konsens, dass den Betroffenen durch den Staat geholfen werden muss, wenn größere Verwerfungen vermieden werden sollen. Deshalb haben Notenbanken und Regierungen auf der ganzen Welt milliardenschwere Rettungsprogramme gestartet und weitere angekündigt.

Das Problem: Es gibt zur Zeit niemanden, der auch nur annähernd beziffern könnte, welche Summen tatsächlich erforderlich sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Das hat natürlich damit zu tun, dass große Unsicherheit besteht, wie lange der Ausnahmezustand dauern wird. Es ist darüber hinaus sehr schwierig, Rettungsmaßnahmen so zu konstruieren, dass sie einerseits schnell wirken und andererseits nicht unnötig viel Geld kosten. Klar ist wohl jedenfalls, dass die Zahlen, über die aktuell diskutiert wird, zu klein sind.

Darüber, wie denn solche Maßnahmen finanziert werden sollen, wird derzeit kaum geredet. Das hat sicher damit zu tun, dass in der Finanzkrise ab 2007 ebenfalls teure Rettungsprogramme aufgelegt wurden, für die einfach neue Schulden aufgenommen wurden, deren Rückzahlung auch in den ruhigen Jahren danach nicht in Angriff genommen wurde.

Weshalb sollte das nun nicht ebenso funktionieren?

Es ist nicht grundsätzlich auszuschließen, dass es wieder so laufen wird. Aber es muss ja auch Menschen und Institutionen geben, die den Staaten Geld leihen. Irgendwann stellen diese sich die Frage, wie sicher nicht nur griechische und italienische, sondern auch amerikanische und deutsche Staatsanleihen sind. Angesichts der Größenordnung und eben auch der Tatsache, dass an eine Rückführung der Schulden nicht zu denken ist, sondern allenfalls an Umschuldungen, sind Zweifel durchaus angebracht.

Sobald aber ernsthaft in den relevanten Kreisen darüber diskutiert wird, ob der deutsche und der amerikanische Staat ihre Schulden bedienen können, wird nach meiner Einschätzung unser Weltwirtschaftssystem einstürzen – und eine neue Weltwirtschaftsordnung kann und muss konstruiert werden.